Wien/Brüssel – Der heimische Strategieplan für die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ist unter Dach und Fach und wird nun nach Brüssel geschickt. Geht es nach Landwirtschafts- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), wurde für die 155.754 heimischen Landwirtschaftsbetriebe viel erreicht. Immerhin konnte Köstinger abwenden, dass in der Förderperiode ab 2023 weniger aus Brüssel nach Österreich fließt. Die EU-Kommission hatte 2018 ein Minus von 770 Millionen vorgesehen. Nun kam zumindest ein kleines Plus von 35 Millionen heraus. Das große Ziel der GAP der Europäischen Union: die Landwirtschaft klimafitter und nachhaltiger zu machen und das Überleben der Landwirte zu sichern.

Milliardenschweres Reformprogramm

Im Juni hatten sich die EU-Staaten auf ein milliardenschweres Reformpaket für die GAP von 2023 bis 2027 verständigt. Bis 2027 haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro zur Unterstützung der Landwirtschaft vorgesehen. In Österreich fließen über die GAP jährlich rund 1,8 Milliarden an Förderungen. Bei deren Verteilung wird nun etwas nachjustiert. Gut 40 Prozent der EU-Mittel in Österreich soll laut Köstinger künftig für klimarelevante Maßnahmen verwendet werden. Das Umweltprogramm ÖPUL wird um 125 Millionen Euro ausgebaut. Somit stehen künftig rund 575 Millionen Euro pro Jahr für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung, hieß es.

Landwirtschaft bleibt ein beinhartes Geschäft – daran ändern auch die Millionen Euro aus den reich gefüllten Fördertöpfen der EU und Österreichs nichts, die das Auskommen sichern sollen. Die Jahreseinkommen beliefen sich 2020 im Schnitt auf 28.368 Euro.
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Erstmals sollen auch direkte Fördermittel bei 100.000 Euro gekappt werden. Zehn Prozent der rund 677 Millionen Flächenprämien sowie die Mittel aus dem Capping werden an kleinere Betriebe ab 20 Hektar umverteilt. 70 Millionen stehen dafür bereit. Österreich hat sich in der Vergangenheit für ein Capping auf EU-Ebene eingesetzt – mit einer einfacheren Verhandlungsposition als so manch anderer EU-Staat: Immerhin gibt es hierzulande derzeit keine zwanzig Betriebe, die mehr Flächenprämien erhalten. Köstinger hatte immer argumentiert, der Kuchen sei hierzulande sowieso mehr zugunsten kleinerer Betriebe aufgeteilt als in vielen anderen Ländern.

Umverteilung von Groß zu Klein

Sie seien es, die vom Strukturwandel am meisten betroffen seien, betont Olga Voglauer. Die Landwirtschaftssprecherin der Grünen zeigt sich überzeugt, dass der eingeschlagene Weg in die richtige Richtung weise. "Die Umverteilung fällt jetzt deutlicher aus, ein Meilenstein für die österreichische Landwirtschaft", so Voglauer. Tatsächlich ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit 2016 um 3,9 Prozent zurück, seit 2010 warfen zehn Prozent das Handtuch. Optimistisch interpretiert heißt das, dass sich seit 1995 – seit es EU-Förderungen gibt – der Strukturwandel zumindest nicht dramatisch beschleunigt. Damals wurden noch 239.000 Höfe bewirtschaftet. Pessimistisch gesehen heißt es, das viele Geld kann den Strukturwandel nicht aufhalten.

Ab 2023 gibt es mehr Anreize – etwa auf tiergerechte Schweinehaltung umzustellen. Erstmals soll es eine Förderung für Schweine-Freilandhaltung geben (durch eine Gleichstellung mit "Tierwohl Stallhaltung"). Gefördert wird zudem die Haltung von unkupierten Schweinen.
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Um ihn zumindest zu bremsen, ist ein Teil der Förderungen auch für Junglandwirte vorgesehen – etwa durch Niederlassungsprämien. Auch auf die Biolandwirte wolle man nicht vergessen, so Köstinger. 40 Millionen Euro mehr gibt es für diese Betriebe. Damit steigt das jährliche Bio-Budget auf 550 Millionen Euro. Die Bio-Prämie wird dabei durch Maßnahmen aus dem Modulsystem im Agrarumweltprogramm, die flexibel kombiniert werden können, ergänzt. 15 der 19 neuen ÖPUL-Maßnahmen würden zudem maßgebliche Verbesserungen für die biologische Vielfalt mit sich bringen, hieß es. Mehr Geld soll zudem mit 120 Millionen in Tierwohlmaßnahmen fließen. So wurde etwa der Investitionsfördersatz für besonders tierwohlfreundliche Stallungen bei Schwein und Pute auf 35 Prozent erhöht.

Voglauer wirbt um Teilnahme an den Programmen: Wer in Zukunft mehr in Tierwohl investiere, könne sich dafür Geld abholen: Schweine auf Stroh statt auf Spaltenböden, kein Abschneiden der Ringelschwänzchen, für solche Maßnahmen gebe es Geld. Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger sieht es so: Jeder einzelne Betrieb werde in Zukunft mehr Leistungen erbringen, "die der Markt nicht bezahlt". Wer sich die entsprechenden Gelder aus den Fördertöpfen nicht hole, werde übrig bleiben, warnt Voglauer. Bauernbund-Präsident Georg Strasser betont, dass die 1,8 Milliarden nicht nur den Bauern und Bäuerinnen zugutekämen, sondern allen Österreichern und Österreicherinnen – sorgten doch die Landwirte nicht nur für leistbare Lebensmittel, sondern ganz grundsätzlich für einen florierenden ländlichen Raum. Es sei also gut investiertes Geld.

Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und die grüne Landwirtschaftssprecherin Olga Voglauer zeigen sich mit dem Strategieplan zufrieden.
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Umweltschützer wie Greenpeace und Global 2000 sehen hingegen mehr Schatten als Licht. "Manche Streichungen und Kürzungen guter Maßnahmen für Umwelt und Klima wurden zuletzt vom Landwirtschaftsministerium zurückgenommen. Damit wurden wichtige Meter bei Biodiversität, Umwelt und Klima gemacht", kommentiert Brigitte Reisenberger, Landwirtschaftssprecherin von Global 2000, in einer Aussendung. Nachholbedarf ortet sie vor allem im Bereich der Pestizidreduktion. Die Verwendung von Glyphosat sei auch weiterhin im Agrarumweltprogramm möglich, kritisiert Reisenberger. Sie vermisst zudem ein Maßnahmenpaket für bienenfreundliche Bewirtschaftung. Dass die Direktzahlungen bei den ersten 20 Hektar erhöht, aber nicht verdoppelt werden, sei zudem ein Wermutstropfen.

Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace lobt die neu geschaffene Förderung für regionale, gentechnikfreie Futtermittel. Wenig ambitioniert sei das Bioprogramm. "Das Ziel von Landwirtschaftsministerin Köstinger, bis 2030 nur 30 Prozent Biolandwirtschaft in Österreich anzustreben, fällt hinter jegliche Erwartungen zurück", kritisiert der Greenpeace-Mann. Das sieht die Obfrau von Bio Austria, Gertraud Grabmann ähnlich: "Ein erster Blick auf die vorliegenden Informationen zeigt punktuelle Nachbesserungen für biologisch wirtschaftende Betriebe." Insgesamt bleibe der Plan hinter dem Anspruch des Regierungsprogramms, die Bio-Landwirtschaft in Österreich zu stärken, zurück, kritisierte sie.

Kritik kommt aber auch seitens der großen Ackerbaubetriebe. "Mit dem nun geschlossenen Kompromiss zur Gemeinsamen Agrarpolitik hat die Koalition von ÖVP und Grünen endgültig den heimischen Ackerbau zu einem Hobby degradiert", urteilen die Land&Forst Betriebe Österreich. Die Landwirtschaft insgesamt und im speziellen der Ackerbau im Osten Österreichs würden massiv geschwächt und der Strukturwandel vorangetrieben. (rebu, 22.12.2021)